Sie befinden sich hier : Startseite / Early Years XXVI vorherige Seite nächste Seite


  Am 8.6.1955 springt dieser Funke dann tatsächlich über. Elvis tritt an diesem Abend im "Texas Auditorium" in Sweetwater/Texas auf. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Elvis-Epoche, das Elvis-Fieber, bei dieser Veranstaltung beginnt.

Eine neue Epoche mit neuen Träumen und mit völlig neuen Regeln. Die Ein-Mann-Revolution Elvis Presley wirft hier zum ersten Mal alle bislang geltenden Maßstäbe der Popmusik über den Haufen. Sanftmut und Reinheit gelten nicht mehr - bislang geheiligte Gesetze der Popmusik (Tin Pan Alley). Was gestern noch oberstes Gebot war, scheint plötzlich Jahre zurückzuliegen.


 
 
Elvis' Ankunft in Sweetwater/Texas am 8.6.1955
 
 
Als Elvis in Sweetwater eintrifft, erwarten ihn bereits hunderte seiner Fans. Sofort wird er umlagert und muss Autogramme geben. Es wird für ihn ein richtiges Bad in der Menge. Die Begeisterung scheint keine Grenzen mehr zu kennen.

 
 
Elvis in Sweetwater/Texas am 8.6.1955
Elvis in Sweetwater/Texas am 8.6.1955
 
 
Die Halle selbst gleicht einem Hochdruckdampfkessel ohne Sicherheitsventil. Die meisten Mädchen zappeln vor Aufregung auf ihren Sitzen, als hätten sie Ameisen in ihren Jeans. Andere wiederum sitzen da mit einem Gesichtsausdruck, als befänden sie sich in einer Schiffschaukel kurz vor dem Überschlag. Ein weiteres Zeichen mädchenhafter Erregung sind die schier endlosen Schlangen vor den Toiletten.
Dann beginnt das Konzert. Die beinahe unerträgliche Spannung entlädt sich in einem frenetischen Aufschrei aus tausendfacher Kehle, als Elvis wie eine Rakete auf die Bühne schießt. Die Teenager im Saal beginnen hysterisch zu schreien und zu kreischen.

Zehn, zwanzig Sekunden steht er einfach nur da, hellgrüne Hosen, lila Hemd, schlägt unnachahmlich lässig ein paar Akkorde auf seiner Gitarre, die er wie eine Maschinenpistole im Anschlag hält. Es brechen zwei Saiten. Verhangen, fast schläfrig sein Blick. Als den Zuschauern vor Spannung schließlich die Luft auszugehen droht, zuckt er plötzlich mit seinem linken Knie, und seine Oberlippe kräuselt sich zu einem gequälten Lächeln. Der heisere Jubellärm schwillt an.

Elvis hält nun die Augen halb geschlossen. Sein rechter Mundwinkel ist leicht nach oben gezogen - ein dämonisches, hämisches, arrogantes und gefährliches Grinsen. Seine Beine sind gespreizt, er steht nun unbeweglich vor dem Mikrofon, seine Hände krampften sich um das Stativ. Bis jetzt hat er noch nichts weiter getan, als zwei Saiten kaputt zu hauen. Die Mädchen hält es nicht mehr auf ihren Sitzen, sie rennen wie irre nach vorn zur Bühne und schreien und fallen reihenweise in Ohnmacht.
Elvis beginnt einen seiner langsamen Titel zu singen. Dabei schaut er unentwegt auf die Mädchen. Einmal wackelt er kurz mit den Hüften, aber nur ein einziges Mal. Doch von seiner Stimme ist kaum etwas zu hören, denn die Teens überschreien alles.

Dann plötzlich intonierten Scotty und Bill ein schnelles Rock-Stück. Elvis verwandelt sich unvermittelt in einen Vulkan. Er stößt rhythmisch die Hüften nach vorn, schlägt auf seine Gitarre ein, als wollte er sie zerbrechen, reißt an den verbliebenen Saiten und trommelt den Takt auf das Holz.
Wenn er den Kopf zurückwirft, fliegen seine Haare, wenn die Band einen Chorus spielt, wirbelt er die Gitarre an ihrem Band um den Hals.
Elvis küsst das Mikrofon, bewegt sich lasziv, wackelt mit den Hüften und wirft sich schließlich auf den Boden. Das Publikum gerät jetzt vollends in Ekstase. Das ist "Action", wie man sie vorher noch nie gesehen hat.


 
 
Elvis in Sweetwater/Texas am 8.6.1955
Elvis in Sweetwater/Texas am 8.6.1955
 
vorherige Seite

Manche Mädchen beginnen sich die Haare auszureißen, andere lassen sich weinend zu Boden fallen oder beissen sich in Arme und Hände, bis sie bluten. Die Luft ist mit starkem Uringeruch durchsetzt.
Kaum ist Elvis verschwunden, als unzählige Mädchen die Bühne stürmen. Mit ihren Taschentüchern wischen sie die Bühne an den Stellen, wo ihr Idol eben noch gestanden hat. Ein Mädchen reisst das Mikrofon vom Stativ und presst es sich gegen den Unterleib.

Elvis löst mit seinen Konzerten echte sexuelle Phantasien aus. In den Konzertsälen kreischen und toben die Mädchen. Sie machen Krawall und werden bewusstlos, sie machen sich nass und sie masturbieren. Sie brechen sogar Stuhlbeine ab und traktierten sich damit.
Eine erotische Faszination löst Elvis auch mit seiner Kleidung aus. Lässig, ohne Krawatte und steifen Kragen, hemdsärmelig, offene Brust und enge Hosen, eine Mischung aus gefährlichem "Hyde" und sauberem "Jekyll", so erweckt er die Illusion der totalen Freiheit. Keiner merkt, wie Elvis inzwischen manipuliert. Er ist der erste Sänger, der sich bewusst mit dem Rücken zum Publikum dreht - um die erotische Ausstrahlung weiter zu steigern. Seine Lederanzüge sind das Symbol für Unabhängigkeit, wilde Motorradfahrten und unbändigen Lebensrausch. Und da ist noch seine Stimme - das Verführerischste. Und die Haare - das Wichtigste. Seine Großmutter, Minnie Mae Presley, erzählte gerne: "Elvis kam mit unheimlich kräftigen Stimmbändern, mit riesigem Appetit und mit einem dichten Wuschel von langen schwarzen Haaren auf die Welt."

Er hat die "Träne in der Stimme". Ein Phänomen, das auch vielen Opernsängern zum Ruhm verholfen hat. Richard Tauber, Benjamino Gigli, Elvis Presley - sie alle sangen mit dem ganzen Körper.
Und Elvis selber? Er sieht gefährlich aus, ist aber sauber und ungefährlich. Und genau das haben die jungen Mädchen immer von ihren Idolen gewollt - eine Illusion von Gefahr. Elvis bringt diese neue erregende Quasi-Wirklichkeit ins Spiel.



nächste Seite